Europameister springt 2,30m - Zwei Siegerinnen
Mit "Tollhaus TSG-Halle" kommt man einer Beschreibung der
Endphase des diesjährigen Hochsprung Gala-Abends recht nahe. Bei kaum
einer anderen Auflage standen die 1300 Zuschauer so geschlossen hinter
den Athleten und sorgten mit rythmischem Klatschen für den letzten Kick
zur Höchstleistung.
Die Grundlage für den erfolgreichen Abend legte wieder einmal Athletenmanager Günter Eisinger,
der mit dem ihm eigenen Instinkt ein Springerfeld zusammenbrachte,
welches zum einen aus hoch dekorierten Athleten und zum anderen aus
hoffnungsvollen Nachwuchsleuten bestand. Wenn dann noch die gemeinsame
Moderation mit Sprung-Ikone Wolfgang Kreißig so kurzweilig wie nie abläuft, war der Boden für Weltklasseleistungen bereitet.
Zahlenmäßig den Frauen unterlegen gingen sechs Männer in den Wettbewerb wobei der 20-jährige Sven Tarnowski,
als Südbadener quasi Lokalmatador, sich vor allem in die Herzen der
jüngeren Fans sprang. Um ein Haar hätte der Youngster seine wenige Tage
alte Bestmarke von 2,20m gepackt, erlebte aber mit 2,15m einen tollen
Abend. Umjubelter Liebling wurde der Modellathlet Diego Ferrin (Equador), der bei "normaler" Körpergröße durch seine enorme Sprungkraft auffiel und 2,20m sprang wie auch Martin Günther
(LG Eintracht Frankfurt). Letzterer hatte die 2,24m schon haushoch
gemeistert, um doch noch mit der Ferse zu reißen. Schade. Das Duell um
den Sieg lieferten sich zwei ganz Große der Szene nämlich Donald Thomas, Weltmeister 2007 und der amtierende Europameister Aleksandr Shustov.
Bis 2,24m gaben sich beide keine Blöße wobei der Russe bei seinen
Überquerungen ordentlich "Luft" hatte. Thomas ließ dann die 2,27m aus,
Shustov machte unbeirrt weiter und baute bei seinen 2,27m ein richtiges
Haus. Durch den parallelen Frauenwettbewerb, der in die Endphase ging,
mussten beide einige Zeit warten, was zu einem Verlust an Muskelspannung
führte: Fehlversuche über 2,30m waren die Folge. Die Zuschauer
waren nun in ihrem Element, wollten sich mit dem drohenden Ende des
Wettbewerbs nicht abfinden und trieben die Athleten an, die ihrerseits
mit eindeutigen Gesten die Regie zum Hochdrehen der Lautstärkenregler, aufforderten. Unverkennbar war mit den dritten Versuchen der Moment der Entscheidung gekommen, den Shustov mit energischem Anlauf nutzte und mit blitzsauberem Sprung die 2,30m meisterte. Weltklasse in Weinheim und die Halle glich einem Tollhaus. Jetzt musste nach dem Willen der Fans auch noch Thomas
drüber: unablässig hallte das Klatschen durch den Raum und es schien
den Mann von den Bahamas noch einmal bis in die Haarspitzen zu
motivieren. Dynamischer als in den Vorversuchen stieg der frühere
Basketballspieler in die Höhe, überwand die Latte ohne Berührung, um
dann doch mit den Waden zu reißen. Schade, Donald hätte die 2,30m
verdient gehabt. Shustov hatte 2,32m als absolute Hallenbestleistung und
ließ folglich 2,33m auflegen. Durch die Anfeuerungen der Fans war es fühlbar wärmer geworden aber Shustov
machte sich lautstark Mut und vertrieb jede Trägheit. Er hatte zunächst
zwei schwächere Versuche, um dann nochmals alles aus sich
herauszuholen. Er scheiterte nur knapp aber Weinheim erlebte einen
Klassewettbewerb.
Bei
den Frauen entwickelte sich ein ausgeglichner Wettkampf wobei zunächst
viele Athletinnen ohne Fehlversuch blieben. Die höher eingeschätzte Julia Wanner kam leider mit ihrer Technik gar nicht zurecht und schied als erste aus. Besser machte es die Nachwuchshoffnung Marie Laurence Jungfleisch, die 1,84m sprang und eine neue Bestmarke knapp verpasste. Erfrischend war der Auftritt der Kubanerin Lesyani Mayor
die bis 1,84m fehlerlos blieb und sich maßlos über die nicht
geschafften 1,87m ärgerte. Letztere schaffte die Olympiasiegerin 2004 Yelena Slesarenko
gleich im ersten Versuch, weitere Höhen ließ ihr Trainingsrückstand
nicht zu. Die Russin war im Sommer am Knie operiert worden und muss sich
noch weiter aufbauen. Asienmeisterin Marina Aitova blieb bis 1,87m ohne Fehlversuch, kam dann aber nicht höher, so dass sich ein Duell zwischen Melanie Melfort und Ruth Beitia
ergab. Beide nahmen die 1,90m im ersten Anlauf, was für die Französin
Saisonbestleistung bedeutete. Das Publikum merkte, dass es für die
Athletinnen bei 1,92m schwer werden würde und gab in beeindruckender
Manier noch einmal alles: getragen von einer Welle der Anfeuerung
schraubte sich das Duo in die Höhe, aber die Latte blieb nicht liegen.
Aufgrund gleicher Anzahl von Fehlversuchen gab es ein Stechen; im vierten Versuch scheiterten jedoch beide, danach wurden beide zu Siegerinnen erklärt.
Ein stimmungsvoller und hochkarätiger Abend ging zu Ende:"Hier in Weinheim herrscht fast Partystimmung," war Beitia begeistert. Der Spanierin gefiel auch die Tribüne zwischen den Anläufen, was weltweit einzigartig ist. Melanie Melfort hatte ob ihres Mannes, der Sprinter bei den TSG-Athleten ist, ein halbes Heimspiel:
"Ich bin hier schon vor zwei Jahren gut gesprungen und heute hat es
wieder geklappt. Ich fühle mich hier einfach wohl." Europameister Shustov
betonte eine ganz andere Komponente: "Ich bin lange keinen gemischten
Wettbewerb gesprungen. Ich habe auch die Sprünge der Frauen intensiv
angefeuert, was ein tolles Erlebnis war."
Nach einer kurzen Aufarbeitung richtet sich das Augenmerk des Organisationsteams auf die Vorbereitung der 13. Auflage im kommenden Februar.