Europameister springt 2,30m - Zwei Siegerinnen

Die TSG-Halle in Weinheim ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt

Mit "Tollhaus TSG-Halle" kommt man einer Beschreibung der Endphase des diesjährigen Hochsprung Gala-Abends recht nahe. Bei kaum einer anderen Auflage standen die 1300 Zuschauer so geschlossen hinter den Athleten und sorgten mit rythmischem Klatschen für den letzten Kick zur Höchstleistung.

Die Grundlage für den erfolgreichen Abend legte wieder einmal Athletenmanager Günter Eisinger, der mit dem ihm eigenen Instinkt ein Springerfeld zusammenbrachte, welches zum einen aus hoch dekorierten Athleten und zum anderen aus hoffnungsvollen Nachwuchsleuten bestand. Wenn dann noch die gemeinsame Moderation mit Sprung-Ikone Wolfgang Kreißig so kurzweilig wie nie abläuft, war der Boden für Weltklasseleistungen bereitet.

Aleksandr Shustov (RUS) feiert seinen Sieg bei der Hochsprung Gala 2011Zahlenmäßig den Frauen unterlegen gingen sechs Männer in den Wettbewerb wobei der 20-jährige Sven Tarnowski, als Südbadener quasi Lokalmatador, sich vor allem in die Herzen der jüngeren Fans sprang. Um ein Haar hätte der Youngster seine wenige Tage alte Bestmarke von 2,20m gepackt, erlebte aber mit 2,15m einen tollen Abend. Umjubelter Liebling wurde der Modellathlet Diego Ferrin (Equador), der bei "normaler" Körpergröße durch seine enorme Sprungkraft auffiel und 2,20m sprang wie auch Martin Günther (LG Eintracht Frankfurt). Letzterer hatte die 2,24m schon haushoch gemeistert, um doch noch mit der Ferse zu reißen. Schade. Das Duell um den Sieg lieferten sich zwei ganz Große der Szene nämlich Donald Thomas, Weltmeister 2007 und der amtierende Europameister Aleksandr Shustov. Bis 2,24m gaben sich beide keine Blöße wobei der Russe bei seinen Überquerungen ordentlich "Luft" hatte. Thomas ließ dann die 2,27m aus, Shustov machte unbeirrt weiter und baute bei seinen 2,27m ein richtiges Haus. Durch den parallelen Frauenwettbewerb, der in die Endphase ging, mussten beide einige Zeit warten, was zu einem Verlust an Muskelspannung führte: Fehlversuche über 2,30m waren die Folge. Die Zuschauer waren nun in ihrem Element, wollten sich mit dem drohenden Ende des Wettbewerbs nicht abfinden und trieben die Athleten an, die ihrerseits mit eindeutigen Gesten die Regie zum Hochdrehen der Lautstärkenregler, aufforderten. Unverkennbar war mit den dritten Versuchen der Moment der Entscheidung gekommen, den Shustov mit energischem Anlauf nutzte und mit blitzsauberem Sprung die 2,30m meisterte. Weltklasse in Weinheim und die Halle glich einem Tollhaus. Jetzt musste nach dem Willen der Fans auch noch Thomas drüber: unablässig hallte das Klatschen durch den Raum und es schien den Mann von den Bahamas noch einmal bis in die Haarspitzen zu motivieren. Dynamischer als in den Vorversuchen stieg der frühere Basketballspieler in die Höhe, überwand die Latte ohne Berührung, um dann doch mit den Waden zu reißen. Schade, Donald hätte die 2,30m verdient gehabt. Shustov hatte 2,32m als absolute Hallenbestleistung und ließ folglich 2,33m auflegen. Durch die Anfeuerungen der Fans war es fühlbar wärmer geworden aber Shustov machte sich lautstark Mut und vertrieb jede Trägheit. Er hatte zunächst zwei schwächere Versuche, um dann nochmals alles aus sich herauszuholen. Er scheiterte nur knapp aber Weinheim erlebte einen Klassewettbewerb.

Yelena Slesarenko (RUS) bei einem ihrer VersucheBei den Frauen entwickelte sich ein ausgeglichner Wettkampf wobei zunächst viele Athletinnen ohne Fehlversuch blieben. Die höher eingeschätzte Julia Wanner kam leider mit ihrer Technik gar nicht zurecht und schied als erste aus. Besser machte es die Nachwuchshoffnung Marie Laurence Jungfleisch, die 1,84m sprang und eine neue Bestmarke knapp verpasste. Erfrischend war der Auftritt der Kubanerin Lesyani Mayor die bis 1,84m fehlerlos blieb und sich maßlos über die nicht geschafften 1,87m ärgerte. Letztere schaffte die Olympiasiegerin 2004 Yelena Slesarenko gleich im ersten Versuch, weitere Höhen ließ ihr Trainingsrückstand nicht zu. Die Russin war im Sommer am Knie operiert worden und muss sich noch weiter aufbauen. Asienmeisterin Marina Aitova blieb bis 1,87m ohne Fehlversuch, kam dann aber nicht höher, so dass sich ein Duell zwischen Melanie Melfort und Ruth Beitia ergab. Beide nahmen die 1,90m im ersten Anlauf, was für die Französin Saisonbestleistung bedeutete. Das Publikum merkte, dass es für die Athletinnen bei 1,92m schwer werden würde und gab in beeindruckender Manier noch einmal alles: getragen von einer Welle der Anfeuerung schraubte sich das Duo in die Höhe, aber die Latte blieb nicht liegen. Aufgrund gleicher Anzahl von Fehlversuchen gab es ein Stechen; im vierten Versuch scheiterten jedoch beide, danach wurden beide zu Siegerinnen erklärt.
Die beiden Siegerinnen der Hochsprung Gala 2011Ein stimmungsvoller und hochkarätiger Abend ging zu Ende:"Hier in Weinheim herrscht fast Partystimmung," war Beitia begeistert. Der Spanierin gefiel auch die Tribüne zwischen den Anläufen, was weltweit einzigartig ist. Melanie Melfort hatte ob ihres Mannes, der Sprinter bei den TSG-Athleten ist, ein halbes Heimspiel: "Ich bin hier schon vor zwei Jahren gut gesprungen und heute hat es wieder geklappt. Ich fühle mich hier einfach wohl." Europameister Shustov betonte eine ganz andere Komponente: "Ich bin lange keinen gemischten Wettbewerb gesprungen. Ich habe auch die Sprünge der Frauen intensiv angefeuert, was ein tolles Erlebnis war."
Nach einer kurzen Aufarbeitung richtet sich das Augenmerk des Organisationsteams auf die Vorbereitung der 13. Auflage im kommenden Februar.

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